Präsentation der „Forschung fürs Überleben“ in La Serena
Paracas, 11. Dezember 2023. In den letzten beiden Jahren wurde im Auftrag von Sphenisco intensiv zum Humboldt Pinguin geforscht. Die Gruppe um Dr. Alejandro Simeone, Universität Andrés Bello, Santiago, hat Zählungen zum Bestand auf den wichtigsten chilenischen Brutinseln durchgeführt, eine andere Gruppe um Dr. Guillermo Luna, Universität Católica del Norte, Coquimbo ein Monitoring des Bruterfolgs auf den Inseln Choros und Chañaral. Außerdem hat die Gruppe um Dr. Thomas Mattern und Dr. Ursula Ellenberg, NZ Penguin Initiative, Universität Otago, Dunedin die Nahrungssuche untersucht. Das umfangreiche Forschungsprojekt wurde von der Artenschutz-Stiftung Zoo Karlsruhe, dem Zoo Dresden und vom Verein der Freunde des Tierparks Hagenbeck e.V. gefördert (siehe „Projekte Chile“ 4. Juni 2021, 28. November 2021, 18. April 2022, 22. Juli 2022, 23. Juli 2023, 1. Januar 2023, 9. Juli 2023 und 21. November 2023 auf diesen Seiten).
Erstmals wurde über die Forschungsergebnisse auf der Welt Pinguin Konferenz im September in Viña del Mar, Chile, und dann Anfang Dezember im Consejo Consultivo de la Reserva Marina Choros Damas (1) in Pt. de Choros berichtet. Am 6. Dezember luden die Wissenschaftler und Sphenisco ins Hotel La Serena Plaza ein, um die Ergebnisse erstmals der Öffentlichkeit vorzustellen (2). Der Einladung folgten rund 50 Teilnehmer. Überraschend nahm auch die Gouverneurin der Region Coquimbo Krist Naranjo P. und in ihrem Gefolge eine Reihe von Pressevertretern an der Veranstaltung teil. In ihrem Grußwort betonte die Gouverneurin die Wichtigkeit der Forschung und erwähnte, dass sie sich seit Beginn ihrer Amtszeit für die „Schutzzone Humboldt Archipel“ eingesetzt habe.
Nancy Duman eröffnete die Tagung mit einer Hommage an Gabriele Knauf: „Heute können wir diese Aktivität nicht beginnen, ohne Gabriele Knauf zu würdigen, der Gründerin von Sphenisco und Präsidentin von 2008 bis 2023. Ihr ist es zu verdanken, dass wir diese Aktivität heute durchführen können. Im Leben gibt es Handlungen, Situationen, die zum jeweiligen Zeitpunkt klein und unbedeutend erscheinen, sich aber im Laufe der Zeit zu großen Initiativen entwickeln. Niemand hat geahnt, wozu eine Jahreskarte für Besuche im Landauer Zoo, ein Geschenk ihres Mannes, führen würde. Bei einem ihrer Besuche entdeckte Gabriele, dass im Zoo Pinguine geboren wurden, die 24 Stunden am Tag gefüttert und gepflegt werden mussten. Als gute Deutsche engagierte sie sich und fragte, was mit diesen Pinguinen los sei, woher sie kämen und welche Gewohnheiten sie hätten. Als sie keine Antworten mehr fand, rief sie einen Wissenschaftler an, einen Experten in Deutschland, und wer antwortete? Es stellte sich heraus, dass es Guillermo Luna war, unser Akademiker hier, der zu der Zeit in Deutschland promovierte. Nach einem Treffen mit ihm und seinem Mentor kamen Gabriele und ihr Mann mehrmals nach Chile, nach Pan de Azúcar und nach Algarrobo. Sie arbeiteten mit Forschern zusammen und trafen Alejandro Simeone. Zu dieser Zeit unterstützten sie eine Organisation im Süden Chiles. Eines Tages im Jahr 2007 erhielten sie einen Anruf von chilenischen Wissenschaftlern und der Gemeinde Punta de Choros mit der Bitte um internationale Unterstützung zur Rettung des Humboldt-Pinguin-Nationalreservats und des gesamten Humboldt-Archipels. Das war die Geburtsstunde von Sphenisco. Vielen Dank, Gabriele.“
Danach referierte Alejandro Simeone zur „Erkundung der marinen und terrestrischen Welt der Humboldt Pinguine in Chile“. Er nannte noch einmal auf die Ziele des insgesamt 6-jährigen Forschungsprojektes:
1. die Größe der Humboldt-Pinguin-Population in Chile zu erfassen.
2. den Reproduktionserfolg auf den Inseln Choros und Chañaral zu bestimmen und
3. das Verhalten auf See zu untersuchen. Am Beispiel der Insel Choros stellte Alejandro Simeone die Entwicklung der Population von 2002 bis 2023 vor, präsentierte dann die Anzahl der Brutpaare für 10 chilenische Inseln im Zeitraum 2021 und 2022, insgesamt nicht mehr als 2.510 aktive Nester, das entspricht 5.020 brütenden Individuen (s. Bild).
Der Beitrag von Ursula Ellenberg trug den schönen Titel “Das Meer mit den Augen der Pinguine sehen“. Sie beschrieb zunächst Technik und Vorgehensweise bei der Verfolgung der Pinguine auf See durch das Forscher-Team. Dann stellte sie die Wege der einzelnen Vögel bei der Futtersuche rund um die Insel Choros dar. Die Pinguine besuchten 2 „Supermärkte“, einen küstennahen südöstlich der Insel und einen westlich in Richtung offenes Meer. Highlight des Vortrages war eine Weltpremiere, Unterwasseraufnahmen von einzeln oder in Gruppen jagenden Humboldt Pinguinen. Die Teilnehmer waren fasziniert, einschließlich der Gouverneurin. Neu waren auch Erkenntnisse über das Nahrungsspektrum, die Ursula Ellenberg vorstellte. Humboldt Pinguine suchen z.B. Quallen nach sehr kleinen Fischen ab (3).
Last, but not least, referierte Guillermo Luna zum Thema „Überwachung der Brutaktivitäten des Humboldt-Pinguins im Humboldt-Pinguin-Nationalreservat“. Er schilderte zunächst die globale Entwicklung der Bedrohung von Vogelarten und zeigte, dass die Humboldt-Pinguine zu den am stärksten betroffenen Seevögeln gehören. Auf dem Hintergrund zu erwartender Quoten zeigte er, dass in der Saison 2021-2022 der Bruterfolg (= flügge gewordener Vögel) auf der Insel Choros bei 0,8 und auf der Insel Chañaral bei 0,6 Jungvögel lag (4).
Alle Beiträge führten zu intensiven, ausführlichen und sehr lebhaften Diskussionen.
Nach 3 Stunden in der Welt der Forschung bedankte sich Werner Knauf bei den Forschern: „In einer Zeit, in der die Gefahr besteht, dass Fake News die Oberhand gewinnen, sei der Slogan von Fridays for Future „hört auf die Wissenschaft!“ besonders wichtig. Die Wissenschaft könne zwar auch irren, in der Wissenschaft gelte aber das Prinzip, dass man seine Thesen auch beweisen muss. Das Gegenteil von Populismus.“ Er verwies darauf, dass der Humboldt Archipel ein Ökosystem von globaler Bedeutung für die Bewahrung der Artenvielfalt sei. Deshalb sei die Verbreitung der vorgestellten Ergebnisse eminent wichtig. Er bat die Teilnehmer mitzuhelfen, die Ergebnisse bekanntzumachen.
W.K.
Anm.
(1) Beirat des Meeresschutzgebietes Choros Damas.
(2) Die Veranstaltung sowie Interviews mit Forschern und Verantwortlichen wurden aufgezeichnet. Die Filmaufnahmen werden bei „Alianza Humboldt facebook“ veröffentlicht. https://www.facebook.com/people/Alianza-Humboldt-Coquimbo-Atacama/100076325935427/
(3) Ursula Ellenberg und Thomas Mattern planen demnächst weitere Videos der Unterwasseraufnahmen zu veröffentlichen. Sphenisco wird darauf hinweisen.
(4) Im Abschlußbericht nannte Alejandro Simeone andere Werte: 1,43 flügge gewordene Jungvögel auf der Insel Choros und 1,03 auf der Insel Chañaral. Der Unterschied zu den Angaben von Guillermo Luna erklärt sich aus unterschiedlichen Berechnungsmethoden. Alejandro Simeone hat die Gesamtzahl der Küken am Ende der Saison geteilt durch die Anzahl der Nester und so den Durchschnitt pro Insel berechnet. Guillermo Luna hat den Bruterfolg für jedes einzelne Nest bestimmt und daraus den Durchschnitt der jeweiligen Insel berechnet. Seine Werte lassen sich prozentual verstehen: Überleben alle Küken eines Nestes, beträgt der Wert 1; überlebt keins, beträgt er 0. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu bedenken, dass das Gelege eines Humboldt-Pinguins meist aus zwei Eiern besteht, manchmal jedoch nur aus einem.