La Serena 21. November 2023. 2021 und 2022 haben Forscher mit großem Erfolg im Auftrag von Sphenisco das Projekt „Forschung für Überleben“ durchgeführt. Die Gruppe um Dr. Alejandro Simeone, Universität Andrés Bello, Santiago war verantwortlich für Zählungen, die Gruppe um Dr. Guillermo Luna, Universität Católica del Norte, Coquimbo für das Monitoring des Bruterfolgs, die Gruppe um Dr. Thomas Mattern und Dr. Ursula Ellenberg, NZ Penguin Initiative, Universität von Otago, Dunedin für Untersuchungen zur Nahrungssuche. Vertragspartner des Projekts war die Universität Andrés Bello, Santiago, gefördert wurde es von von der Artenschutz-Stiftung Zoo Karlsruhe, dem Zoo Dresden und vom Verein der Freunde des Tierparks Hagenbeck e.V. (siehe „Projekte Chile“ 4. Juni 2021, 28. November 2021, 18. April 2022, 22. Juli 2022, 23. Juli 2023, 1. Januar 2023 und 9. Juli 2023 auf diesen Seiten).
Wie von Anfang an geplant, werden die Arbeiten 2023 und 2024 fortgesetzt. Der neue Vertrag mit dem Titel „Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung“ zwischen der Universität Andrés Bello und Sphenisco liegt unterschriftsreif vor und wird noch im November unterzeichnet.
Untersuchungen 2021 und 2022
Die Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf drei Hauptziele:
1. die Bestimmung der Populationsgröße in den wichtigsten chilenischen Humboldtpinguin-Kolonien,
2. die Bewertung des Bruterfolgs in zwei Kolonien (Insel Chañaral und Insel Choros) und
3. die Bestimmung der Futtergebiete und die Untersuchung des Verhaltens bei der Futtersuche von Humboldtpinguinen auf See.
Ad 1. Auf den 10 wichtigsten Brutinseln wurde der Bestand der Humboldtpinguin-Population erhoben. Die Ergebnisse, die in dem Bericht von Simeone et al. (2023) zusammengefasst sind, waren nicht sehr ermutigend und zeigten, dass 2.511 Brutpaare während der Saisons 2021 und 2022 in diesen Kolonien anwesend waren. Laut Simeone et al. (2018) konzentrieren sich auf diesen 10 Inseln wahrscheinlich ca. 80 % der reproduktiven Population, so dass eine optimistische Schätzung nahelegt, dass die Gesamtpopulation in Chile derzeit etwa 3.000 Brutpaare umfassen könnte. Ein wichtiges Ergebnis war die Feststellung, dass historische Kolonien wie die Inseln Pan de Azúcar und Chañaral derzeit nur eine sehr geringe Anzahl von Humboldt-Pinguinen beherbergen und die meisten Nester nicht genutzt werden.
Ad 2. Der Bruterfolg stimmte mit den Zähldaten überein. Das deutet darauf hin, dass die wenigen Pinguine, die versuchen, auf der Insel Chañaral zu brüten, einen vergleichsweise geringeren Bruterfolg haben als die Pinguine, die auf der nahe gelegenen Insel Choros brüten.
Ad 3. Die Studie über das Futtersuchverhalten der Humboldt-Pinguine auf der Insel Choros lieferte hochinteressante Informationen über die Gebiete, in denen die Pinguine nach Nahrung suchen (hauptsächlich nach Fischschwärme) und wie sie sich auf See verhalten. Das Verhalten der Pinguine bei der Nahrungssuche wurde sowohl während der Süd-Winter- als auch der Süd-Frühjahrsbrutsaison untersucht. Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass Pinguine, die im Süd-Winter (Juni) brüten, im Durchschnitt längere Strecken zur Nahrungssuche zurücklegen als Pinguine, die im Süd-Frühjahr in derselben Kolonie brüten. Dies deutet darauf hin, dass die Pinguine in der Lage sind, ihr Verhalten auf See an die vorherrschenden ozeanografischen Bedingungen anzupassen. Im Süd-Winter ist die Meeresproduktivität geringer als im Süd-Frühjahr. Außerdem haben die von den Pinguinen getragenen Kameras ein sehr interessantes Unterwasserverhalten gezeigt, das in den nächsten Monaten ausgewertet werden soll.
Pläne für den Zeitraum 2023-2025
Für den Zeitraum 2023-2025 ist geplant, die drei grundlegenden Ziele beizubehalten und bei den Untersuchungen die gleichen Methoden wie im Zeitraum 2021-2022 anzuwenden. Zusätzlich schlagen die Forscher folgende Änderungen vor, um das Projekt zu verbessern.
Ziel 1 Bestimmung der Populationsgröße
Aufgrund des aktuell anhaltenden El-Niño-Ereignisses, das derzeit den südöstlichen Pazifik betrifft, ist zu erwarten, dass nur ein kleiner Teil der Population in diesem Süd-Frühjahr (Oktober-November) versuchen wird zu brüten. Während des El Niño 1997-1998 berichteten Simeone et al. (2002) von einem Rückgang der Zahl der Brutpaare auf der Insel Pájaro Niño in Zentralchile um bis zu 85 %. Trotz dieses ungünstigen Umweltszenarios - das die vollständige Verwirklichung dieses Ziels stark behindern wird - ist geplant, die Population in bestimmten Kolonien zu zählen. Aufgrund ihrer geografischen Lage und der Größe der Population sollen im Oktober und November 2023 der Bestand auf den Inseln Pan de Azúcar, Choros, Tilgo und Cachagua erfasst werden. Anhand dieser Informationen lässt sich feststellen, wie sich das El-Niño-Ereignis in einem breiten geografischen Maßstab auf die Größe der Brutpopulation dieser großen Kolonien auswirkt.
Nachdem sich die ozeanografischen und klimatischen Bedingungen im Jahr 2024 stabilisiert haben, ist geplant, die Populationsgröße in den übrigen großen Kolonien in Chile zu ermitteln. Im Oktober und November 2024 sollen die Populationsgröße in denselben Kolonien wie in den Jahren 2021-2022 sowie in drei weiteren Kolonien (siehe folgende Tabelle) ermittelt werden.
Kolonien |
Standorte |
Fläche (ha) |
Isla Pan de Azúcar |
26° 09' S; 70° 41' W |
103 |
Islote Ramadas |
27° 00' S; 70° 48' W |
14 |
Grande de Atacama* |
27° 14' S; 70° 58' W |
54 |
Cima Cuadrada* |
27° 41' S; 71° 02' W |
14 |
Isla Chañaral |
29° 02' S; 71° 34' W |
516 |
Isla Damas |
29° 14' S; 71° 31' W |
56 |
Isla Choros |
29° 16' S; 71° 32' W |
301 |
Isla Chungungo |
29° 24' S; 71° 21' W |
15 |
Isla Tilgo |
29° 32' S; 71° 20' W |
45 |
Isla Pájaros 1 |
29° 35' S; 71° 32' W |
124 |
Isla Huevos |
31° 54' S; 71° 31' W |
9 |
Isla Cachagua |
32° 35' S; 71° 27' W |
5 |
Islote Pájaro Niño |
33° 21' S; 71° 41' W |
3 |
Pupuya* |
33° 58' S; 71° 53' W |
3 |
* Neue Kolonien sollen 2024 aufgenommen werden
Ziel 2 Bestimmung des Bruterfolges
Im vorangegangenen Zeitraum (2021-2022) haben wir den Bruterfolg in zwei Kolonien im Humboldt-Archipel überwacht, den Inseln Chañaral und Choros. Auch wegen des anhaltenden El-Niño-Ereignisses soll die Untersuchung des Bruterfolgs im Jahr 2023 auf die Insel Choros beschränkt werden. In dieser Kolonie soll auch - wie erwähnt - eine Zählung des Bestandes durchgeführt werden. 2024 soll dann auch das Monotoring auf der Insel Chañaral wiederaufnommen und Informationen für beide Kolonien gesammelt werden.
Ziel 3 Futtersuchverhalten
Es ist geplant im November und Dezember 2023 erneut Humboldt-Pinguine auf der Insel Choros mit GPS-Loggern auszustatten, um zu erfassen, wie die ozeanographischen Bedingungen während des El Niño das Fütterungsverhalten der Humboldt-Pinguine verändern. Diese Informationen werden mit den Daten aus dem Jahr 2022 verglichen, einem Jahr, das von La Niña-Bedingungen beeinflusst wurde. Der Vergleich ist besonders wertvoll, da er es ermöglicht, festzustellen, ob sich Futtergebiete, Dauer der Futtersuche, Entfernungen zur Kolonie und Tauchleistungen durch El Niño entsprechend verändern.
Im Jahr 2024 soll die Studie mit GPS-Loggern an Pinguinen der Insel Choros in der Süd-Winter- und in der Süd-Frühjahrsbrutsaison fortgesetzt werden. Darüber hinaus ist geplant, die Untersuchung auf die Insel Cachagua auszudehnen (Süd-Frühjahr 2024 und Süd-Winter 2025). Dies ermöglicht den Vergleich der Futtersuche in verschiedenen geografischen und ozeanografischen Regionen. Es ist von großer wissenschaftlicher Relevanz festzustellen, ob die Parameter der Nahrungssuche von der Insel Choros, wirklich das Verhalten der Art widerspiegeln oder ob sie eine Anpassung an die lokalen Bedingungen sind.
Ziel 4 Soziale Medien
Informationen, die im Kontext von Naturschutzprojekten ermittelt werden, erreichen oft wichtige Interessengruppen und eine breite Öffentlichkeit nicht. Sie bleiben häufig in fachlichen Dokumenten oder in einem begrenzten wissenschaftlichen Umfeld, ohne die lokalen Akteure zu erreichen. Die meisten Forschungsergebnisse werden in sehr fachlicher Sprache in (meist kostenpflichtigen) Fachzeitschriften veröffentlicht, die normalerweise mehrere Monate für ihre Veröffentlichung benötigen.
In der gegenwärtigen Situation mit Fehlinformationen und großen Problemen bei der Erhaltung verschiedener Arten ist es wichtig, Informationen in (fast) Echtzeit und auf Grundlage eines offenen und einfachen Zugangs bereitzustellen. Soziale Netzwerke stellen dafür heute ein gebräuchliches und nützliches Instrument dar, um wissenschaftliche Informationen auf einfache Weise an die Allgemeinheit, einschließlich Anwohner, Fischer, Pädagogen, Landeigentümer sowie Wissenschaftler außerhalb des kleinen Kreises von Spezialisten, weiterzugeben.
Deshalb schlagen die Forscher für den zweiten Teil des Projekts vor, einen Account in einem weit verbreiteten und beliebten sozialen Netzwerk (Instagram) einzurichten, um schnell und ohne physische Grenzen Kontakt zur interessierten Öffentlichkeit herzustellen. Dazu soll
1. Bildmaterial (Fotos, Videos) von den Arten auf den besuchten Kolonien verwendet,
2. kurze Texte und Infografiken erstellt werden, die beschreiben, was im Rahmen des Projekts geschieht,
3. Erhaltungsziele kommuniziert,
4. Sponsoren informiert und
5. soll der Account darüber hinaus ein Schaufenster für Nachrichten im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen in Bezug auf die Arten (Vogelgrippe, El Niño, Erhaltungspläne) sein.
Die Tatsache, dass direkt und ohne Vermittler kommuniziert wird und die Forscher selbst für die Verbreitung der Informationen in den sozialen Netzwerken verantwortlich sind, hat zahlreiche Vorteile, von der Zuverlässigkeit der Informationen bis hin zur Möglichkeit, auf die Anliegen der Gemeinschaft einzugehen.
Die Gruppen um Ursula Ellenberg und Alejandro Simeonen beginnen am 26. November mit den neuen Untersuchungen. Unter El Niño-Bedingungen sind – wie gesagt - auf den Inseln Choros und Tilgo erneut Zählungen sowie Untersuchungen zur Nahrungssuche geplant. Aufgrund der geografischen Lage und Größe der Populationen sollen auch die Anzahl der Brutpaare auf den Inseln Pan de Azúcar und Cachagua erfassen werden. Es wird erwartet, dass unter El Niño-Bedingungen deutlich weniger Paare brüten. Humboldt Pinguine vermeiden, bei Nahrungsmangel zu brüten oder stellen die Brut ein. Bezüglich der Forschung zur Nahrungssuche ist ungewiß, ob und in welchem Umfang Untersuchungen möglich sein werden.
Ursula Ellenberg und Alejandro Simeone werden ihren Aufenthalt in der Region Coquimbo nutzen, um gemeinsam mit Guillermo Luna am 6. und 7. Dezember über die bereits vorliegenden Forschungsergebnisse zum Bestand, Bruterfolg und Nahrungssuche zu referieren. Eingeladen zu den Vorträgen in La Higuera und La Serena hat das Consejo consultive de la reserva national pinguino de humboldt (beratende Versammlung des nationalen Schutzgebietes des Humboldt Pinguins). Ziel ist es, Bürger, Fachleute und Mitarbeiter zuständiger Behörden der Region aus erster Hand über die bisherigen Ergebnisse und ihre große Bedeutung zu informieren.
W.K.
Anm.
Der Artikel basiert auf dem Projektvorschlag von Dr. Alejandro Simeone „Untravelling the population size and foraging behavior of Humboldt Penguins in Chile, period 2023-2025“ vom September 2023 und persönlichen Mitteilungen des Forschers.