Projekte in Chile

Nationaler Plan zur Bewahrung des Humboldt-Pinguins

Santiago, Landau 5. August 2024

Vorbemerkung

Die chilenische Umweltministerin Maisa Rojas stellte am 26. Juli einem sehr exklusiven Kreis auf der Insel Cachagua den Nationalen Plan zur Bewahrung des Humboldt-Pinguins (Plan „RECOGE) (1) vor. Bei der Vorstellung waren CONAF (nat. Forstbehörde, auch für Schutzgebiete zuständig) und Sernapesca (chil. Fischereibehörde), die wichtigsten Partner bei der Ausarbeitung des Plans, sowie der Wissenschaftler und Forscher Alejandro Simeone (2) und NGOs wie Oikonos, Island Conservation und Sphenisco, vertreten durch Nancy Duman, Senator Ricardo Lagos Weber und lokale Behörden anwesend. Der Plan - mit einer Strategie für die kommenden 20 Jahre - sieht Maßnahmen zum Schutz der stark bedrohten Seevögel vor. Einen Tag zuvor war der RECOGE Plan bereits im Amtsblatt veröffentlicht worden. Bei der Berichterstattung in den Medien fällt auf, dass die Berichte im wesentlichen lediglich den Wortlaut der Pressemitteilung wiedergeben, eine (kritische) Einordnung aber vermeiden. Im Folgenden der Text der offiziellen Pressemitteilung (3):

“Der Humboldt-Pinguin (Spheniscus humboldti), eine der emblematischsten Arten an der Südküste Südamerikas, ist besser geschützt. Heute wurde im Amtsblatt der Plan zur Wiederherstellung, Erhaltung und Verwaltung von Arten (RECOGE) hinsichtlich dieses Seevogels veröffentlicht. Die Strategie wurde von CONAF in jahrelanger Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium entwickelt.

Seit 2015 arbeiteten Fachleute beider Dienste an der Gestaltung des Plans, an dem u.a.  Sernapesca und Subpesca (4) teilnahmen. Ebenso wird der Plan zur Erhaltung von verschiedenen Organisationen und Initiativen unterstützt, darunter u.a. vom GEF-Projekt Coastal Marine Governance in Partnerschaft mit der FAO), der Zivilgesellschaft und den Hochschulen.

So entstand der Plan “RECOGE Humboldt Pinguin”. Der Plan basiert auf der Methodik der offenen Standards für die Praxis der Erhaltung, einem dynamischen Instrument, das von der MIRADI-Software unterstützt wird. Dieses System wurde entwickelt, um die Wirksamkeit von Maßnahmen ständig zu bewerten und kontinuierliche Verbesserungen zu fördern, indem es das Handeln vom Kollektiven und von Einzelnen leitet. Auf diese Weise sollen die Ziele erreicht werden, die sich Chile zur Erhaltung seiner einheimischen Fauna gesetzt hat.

Die Umweltministerin Maisa Rojas kommentierte die Bedeutung der Formalisierung des Plans: „Diese Strategie wird es ermöglichen, einen Vogel zu schützen, der für das Gleichgewicht des Ökosystems des Landes von entscheidender Bedeutung ist und heute leider als gefährdete Art eingestuft wird und vom Aussterben bedroht ist. Dank dieses Instruments werden wir die Erhaltung und den Schutz dieser Art angehen, indem wir u.a. ihre Hauptbedrohungen wie invasive Arten, anthrogene Störungen oder aufkommende Krankheiten angehen“, so die Umweltbehörde.

Vom Aussterben der bedrohten Art

Der Erhaltungszustand des Humboldt-Pinguins in Chile ist besorgniserregend: Projektionen, die mit Populationsmodellen gemacht wurden, progoszieren, dass diese Pinguinart in etwas mehr als einem halben Jahrhundert einem ernsthaften Aussterbensrisiko ausgesetzt sein könnte. Eine kürzlich von Dr. Alejandro Simeone, einem Akademiker an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Andrés Bello, geleiteten Studie (2) zeigt, dass die Fortpflanzungspopulation des Humboldt-Pinguins in Chile etwa 2.500 bis 3.000 Paare beträgt.

Die zwischen 2021 und 2022 durchgeführte Forschung umfasste 10 der wichtigsten Inseln, auf denen diese Art zwischen den Regionen Antofagasta und Valparaíso nistet. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die Größe der Fortpflanzungspopulation geringer ist, als bis vor einigen Jahren angenommen wurde. „Während die Art auch auf mehreren anderen Inseln entlang der chilenischen Küste nistet, sind ihre Populationen in den meisten von ihnen klein: weniger als 100 Paare auf vielen Inseln. Das Zukunftsszenario ist ziemlich ungewiss, wenn man die kombinierten Auswirkungen des El Niño-Ereignises und des Ausbruchs der Vogelgrippe bedenkt, die die Seevögel an unseren Küsten im Jahr 2023 betrafen. Die Zählungen, die wir im nächsten Frühjahr durchführen werden, werden uns den tatsächlichen Zustand der Population im Land offenbaren", erklärt Simeone.

Über den „RECOGE-Plan Humboldt-Pinguin“

Diese Art ist ausschließlich an den Küsten Perus und Chiles präsent, angezogen von den kalten Gewässern des Humboldtstroms und ihrem Nährstoffreichtum. Küsteninseln und Meeresvorsprünge sind wichtige Brut- und Nistplätze. In Chile sind die Humboldt Pinguine auf verschiedenen Inseln von Pan de Azúcar (Copiapó) bis Cachagua (Zapallar) zu finden. Konkret beherbergen die Inseln Choros, Chañaral, Tilgo und Islotes Pájaros – alle Teile des Humboldt-Archipels – 89 % der weltweiten Brutkolonien dieser Art (5).

Der RECOGE-Plan wird die gesamte Meeresküste vom Norden Perus bis zur Isla Grande de Chiloé abdecken und versuchen, den Erhaltungszustand der Art in 20 Jahren zu ändern. Die Monitoring Group wird für die Überwachung des Plans verantwortlich sein. Im Plan sind Ziele und Aktionslinien zur Verringerung von Bedrohungen, zur Erhöhung des Schutzes und zur Sensibilisierung der Gesellschaft für die Bedeutung dieser einheimischen Art festgelegt.”

Nachbemerkung

Die Kenntnisse von Sphenisco reichen (noch) nicht aus, um den Plan „RECOGE” angemessen bewerten zu können.

Mit der Veröffentlichung ist der Schutz des Humboldt Pinguins und seines Lebensraums jetzt eine offizielle Aufgabe des Staates. D.h. Behörden und staatliche Institutionen müssen sich darum kümmern. Das könnte Artenschützern und Wissenschaftlern helfen, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, das gilt wahrscheinlich auch bei juristischen Auseinandersetzungen.

Fest steht, dass ein Komitee aus Fachleuten gebildet wird. In dem Gremium werden auch Dr. Alejandro Simeone und Dr. Guillermo Luna (Partner im Forschungsprojekt von Sphenisco (2)) vertreten sein. Aufgabe dieses Gremiums ist es, kontinuierlich und kriteriengeleitet Bestand und Schutzstrategien zu bewerten und anzupassen. Derzeit gibt es in Chile nur noch etwa 2.500 Brutpaare (2). Das macht das Überleben dieser Pinguinart äußerst kritisch. U.U. müssen die Fachleute die Gefährdungsstufe von „gefährdet“ (VU-vulnerable) auf „stark gefährdet“ (EN-endangered) hochsetzen.

Als Ziele für die Bewahrung des Humboldt-Pinguins nennt der Plan „RECOGE”:

1. Verringerung der Sterblichkeit der Humboldt-Pinguine infolge anthropogener Ursachen wie Beifang, Umweltverschmutzung sowie Verbreitung invasiver Arten.

2. Schutz und Wiederherstellung wichtiger Lebensräume des Humboldt-Pinguins wie Inseln und Nistplätze. Das nährt die Hoffnung, dass u.U. weitere Inseln unter Schutz gestellt und weitere Meeresschutzgebiete in der 5. Region ausgewiesen werden. Ziel ist es angeblich 90 % der Brutgebiete des Landes unter Schutz zu stellen.

3. Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Managementmaßnahmen für menschliche Aktivitäten, die den Humboldt-Pinguin betreffen, wie z.B. Fischerei und Tourismus. Pikant daran ist, dass die Fischerei nicht direkt genannt wird, sondern von wirtschaftlichen Aktivitäten auf See gesprochen wird, die nachhaltig sein sollen. Die Skepsis ist groß, ob staatliche Stellen wirklich effektive Maßnahmen ergreifen, die Fischerei nachhaltiger zu gestalten und tatsächlich Beifang reduzieren.

4. Überwachen und Untersuchen von Humboldt-Pinguinpopulationen, um ihre Ökologie und Populationsdynamik besser zu verstehen. Dieser Punkt könnte es Universiäten und NGO´s  erleichtern, bei Forschungsprojekten Fördermittel zu erhalten.

5. Förderung der Aufklärung und des öffentlichen Bewusstseins für die Bedeutung der Erhaltung des Humboldt-Pinguins und seines Lebensraums.

W.K.

Anm.

(1) RECOGE ist die Abkürzung für „Species Recovery, Conservation and Management Plan“.

(2) siehe Artikel “Präsentation der “Forschung fürs Überleben” in La Serena” unter “Projekte in Chile”, 30. Dezember 2023 auf dieser Internetseite.

(3) Pressemitteilung vom 25. Juli 2024 des Ministeriums für Umwelt.

(4) Subpesca. Untersekretariat für Fischerei und Aquakultur ist ein stellvertretendes Staatssekretariat und untersteht dem Ministerium für Wirtschaft, Entwicklung und Tourismus. Aufgabe des Ministeriums ist es, nationale Fischerei- und Aguakulturpolitik sowie ihre Anwendungsformen zu entwickeln und Anweisungen für ihre Umsetzung zu erteilen.

(5) Die Angabe trifft nicht zu. Sie berücksichtigt die Situation in Peru nicht. Siehe Artikel „Zählung der Humboldt Pinguine an wichtigen Standorten in Peru 2022“ unter „Projekte in Peru“, 28. Mai 2024 auf dieser Internetseite.

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