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Verschulden wir die Ausrottung der Humboldt Pinguine?

Landau 5. Dezember 2025. Die Population der Humboldt Pinguine wurde in den letzten Jahren durch Umweltbelastungen wie Klimawandel, Überfischung und Zerstörungen des  Lebensraums sowie Naturereignisse in bisher nicht vollständig geklärtem Ausmaß reduziert. 2023 starben in Südamerika sehr viele in Kolonien brütende Seevögel an der hochpathogenen Vogelgrippe H5N1. In welchem Ausmaß Humboldt Pinguine durch die Vogelgrippe reduziert wurden, ist unklar, da die Totfunde nicht untersucht wurden. Der El Niño 2023/2024 gehörte zu den stärksten seit Beginn der Aufzeichnungen. Wegen fehlender Nahrung konnten die Humboldt Pinguine 2023 und 2024 in großen Teilen ihres Verbreitungsgebietes nicht brüten.

 

Der starke Rückgang der Population wird durch Zählungen dokumentiert, die seit 2021 im Auftrag von Sphenisco von Forschern um Dr. Alejandro Simeone durchgeführt wurden. (1) Über den aktuellen Bestand der Humboldt Pinguine in Chile  berichteten Dr. Simeone und andere am 13. November 2025 in La Serena. (2)

 

 

Insel  / Anzahl Brutpaare

2021

2022

2023

2024

2025

Pan de Azucar

162

---

---

4

13

Grande de Atacama

---

---

---

10

16

Chañaral

161

---

---

---

36

Choros

381

423

4

---

41

Tilgo

571

---

4

59

200

Cachagua

kein Wert

729

881

279

400

 

Die Daten dokumentieren nicht abschließend den Rückgang der Humboldt Pinguine in Chile. Sie belegen aber die starke Reduktion seit 2021.

 

Im Januar 2025 wurde bei der jährlichen Mauser-Zählung in Peru ein Rückgang von 70 % gegenüber dem Vorjahr festgestellt. Das Ergebnis überschätzt hoffentlich den Rückgang. Wegen des Nahrungsmangels mauserten nicht alle Humboldt Pinguine und wurden daher auch nicht gezählt. Auch wenn der Rückgang vielleicht keine 70% beträgt, belegt die Zählung dennoch eine drastische Reduktion der Population auch in Peru. (3)

 

Im Oktober 2025 hat der Ministerrat für Nachhaltigkeit und Klimawandel der chilenischen Regierung die Klassifikation der Bedrohung des Humboldt Pinguins vom Status „gefährdet“ (VU) auf den Status „stark gefährdet“ (EN) angehoben. Grundlage der Einstufung ist der „20. Klassifizierungsprozess wildlebender Arten“, der von chilenischen Wissenschaftlern und Fachleuten des Umweltministeriums durchgeführt wurde. Dabei wurde ein Rückgang von etwa 50 % der Brutpaare in der Zeit von 2017 bis 2021 festgestellt. Als Hauptursachen werden die Sterblichkeit durch Beifang in der handwerklichen Kleinfischerei, Überfischung sowie Zerstörungen des Lebensraums durch menschliche Eingriffe benannt. (4) Die Klassifikation gilt zunächst für Chile. Die Fachleute weisen aber darauf hin, dass die Einstufung voraussichtlich bei der nächsten Aktualisierungen der Roten Liste bedrohter Arten (Einstufung der IUCN) auch zur globalen Klassifizierung werden wird.

 

2024 erließ und veröffentlichte das chilenische Umweltministerium den so genannten Recoge-Plan. (5) Der nationale Plan zur Bewahrung der Humboldt Pinguine verpflichtet staatliche Institutionen bei ihren Entscheidungen die Schutzziele und Schutzmaßnahmen des Planes zu berücksichtigen. Werden Vorgaben des Planes z.B. bei Prüfungen der Umweltverträglichkeit oder bei Genehmigungen nicht beachtet, beeinträchtigt dies deren Gültigkeit.

 

Wegen der gestiegenen Gefährdung des Humboldt Pinguins organisierte die Fundación Sphenisco Chile am 13. November 2025 die Fachtagung „Der Humboldt Pinguin ist vom Aussterben bedroht: Herausforderungen bei seiner Rettung“. Das Treffen führte renommierte Forscher, Fachleute und Organisationen (6) zusammen, um wissenschaftliche Erkenntnisse, Managementstrategien, Umweltbildung und rechtliche Herausforderungen zur Rettung der bedrohten Pinguinart zu reflektieren und zu diskutieren. Unterstützt wurde die Tagung vom Zoo Dublin.

 

Themen waren der Besorgnis erregende Stand der Population, Ziele und Maßnahmen des Recoge-Plans, die gestiegene Zahl von Totfunden, Forschungen zur Wechselwirkung von Fischerei und Nahrungssuche von Humboldt Pinguinen sowie die rechtlichen Grundlagen für Schutzmaßnahmen. Zum Abchluss hielt Dr. Guillermo Luna ein brilliantes Plädoyer für die wissenschaftliche Fundierung (politischer) Entscheidungen: „ … Die Wissenschaft verfügt über die (erforderlichen) Informationen, hat sie allen zugänglich gemacht und die Schlussfolgerung ist klar. Was fehlt, ist nicht mehr Forschung, sondern politischer Wille, Transparenz (...), Mut, das zu schützen, was allen gehört vor kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen.“

 

Sphenisco hat in den letzten Jahren – wie im Recoge-Plan vorgesehen – die Entwicklung der Population, Bruterfolg sowie Nahrungssuche beforschen lassen und Umweltbildung realisiert. Der Verein wird dieses Engagement fortsetzen, es – wenn finanziell möglich – noch intensivieren. Aktuell bereitet Sphenisco gemeinsam mit der Fundación Sphenisco Chile folgende Maßnahmen vor:

1. Eine Petition an chilenische Behörden, um ungeschützte Brutinseln zu schützen, den Schutz bereits geschützter Inseln zu erweitern und angemessene Standards in den Verwaltungsplan des Humboldt Archipels zu implementieren.

2. Die Schulung und Zertifizierung der im Tourismus Beschäftigten gemeinsam mit Partnern wie der „Gesellschaft nachhaltiger Tourismus La Higuera“.

3. Die Fortsetzung der Untersuchungen zur Wechselwirkung von Fischerei und Nahrungssuche sowie

4. Förderung von Praktiken nachhaltiger Fischerei, um deren Auswirkungen in der Umgebung von Brutkolonien zu reduzieren.

 

Die Gespräche mit Acorema über zusätzliche Maßnahmen in Peru stehen noch aus.

 

Die Fakten über die drohende Ausrottung der Humboldt Pinguine sind hinreichend bekannt. Die chilenischen Gesetze und Verordnungen enthalten eindeutige Aufträge. Es ist höchste Zeit, Brutkolonien ausreichend zu schützen sowie Brutzeiten und Nahrungsgebiete bei der Planung und Nutzung von Meeresräumen zu berücksichtigen.

 

W.K.

 

Anmerkungen

Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet. Die im Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

 

(1) Alejandro Simeone, Paulina Arce, Maximiliano Daigre. Populationsgröße der wichtigsten Kolonien des Humboldt Pinguins in Chile (2021–2025). Fachtagung November 2025.

Die Forschergruppe um Dr. Simeone besteht aus den genannten Autoren von der Universität Andrés Bello, Santiago; Dr. Guillermo Luna-Joquera, Universität Católica del Norte, Coquimbo; Dr. Thomas Mattern und Dr. Ursula Ellenberg, Universität von Otago, Neuseeland. 

(2) Fachtagung „Der Humboldt Pinguin ist vom Aussterben bedroht: Herausforderungen für seine Rettung“. Die Tagung wurde von Fundación Sphenisco Chile organisiert und vom Zoo Dublin unterstützt.

(3) Artikel „Rückgang der Population - Fakt oder Artefakt?“ vom 05. Februar 2025 auf dieser Internetseite.

(4) Dominga Planella, ONG FIMA. Rechtliche Reichweite nationaler und internationaler rechtlicher Mittel, einschließlich des Plans Recoge für den Schutz des Humboldt Pinguins. Fachtagung November 2025.

(5) Recoge-Plan. Vorschlag - Plan zur Wiederherstellung, Erhaltung und Bewirtschaftung der Humboldt Pinguine. Ziele und Maßnahmen des Plans haben Gesetzeskraft und sind für Behörden und Privatpersonen verbindlich.

(6) An der Tagung nahmen u.a. Fachleute der CONAF, von Sernapesca, der ONG Oikonos und der FIMA teil.

CONAF. Chilenische Forstbehörde, die auch für die Naturschutzgebiete zuständig ist.

Sernapesca. Chilenische Fischereibehörde.

NGO Oikonos untersucht und schützt bedrohte Ökosysteme.

FIMA ist eine gemeinnützige chilenische NGO, die rechtliche Beiträge zur Politik, Gesetzgebung und Zugang zur Umwelt-Gerichtsbarkeit leistet.

 

Hinweis

Alle Bilder sind Eigentum von Sphenisco e.V. bzw. den genannten Fotografen.

Eine Verwendung ist nur nach Rückfrage und Genehmigung zulässig.

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