Projekte in Chile

Meeresschutzzone - zwei Schritte vorwärts, einer zurück?

La Serena, Landau 13. Juli 2023. Am Donnerstag 6. Juli stellten die Umweltministerien der Regionen Coquimbo und Atacama in Chañaral de Aceituno einen neuen Vorschlag für eine Meeresschutzzone mit mehrfach Nutzung (AMCP-MU) für das Humboldt Archipel vor. An der Versammlung nahmen Vertreter der Gemeinden, der Fischer sowie von Umwelt- und Kultur-Organisationen teil. Die Kategorie „mehrfach genutztes Meeresschutzgebiet“ bezeichnet einen stark eingeschränkten, also eher geringen Schutz. Zu den Zielen gehören die Erhaltung der biologischen Vielfalt, der Schutz der Ökosysteme, der gefährdeten Meeresarten und ihrer Lebensräume sowie die Bewahrung des historischen und kulturellen Erbes der Meeres- und Küstengemeinden dieses Gebietes.

Die Umweltministerin der Atacama-Region, Natalia Penroz erinnerte in der Versammlung daran, wie lange sich die Bürger schon für die Schutzzone einsetzen und wie wichtig sie für eine nachhaltige Entwicklung der Region ist. Mehrere Teilnehmer traten entschieden der Desinformation entgegen, es habe keine Information und Beteiligung der Bürger gegeben. Richtig sei vielmehr, dass es einen monatelangen, partizipativen Prozess gab, in dem mehr als 14 Workshops in beiden Regionen und auch in allen Buchten des Archipels stattfanden.

Nancy Duman, Mitglied der Alianza Humboldt Coquimbo-Atacama und der NGO Sphenisco äußerte die Hoffnung, dass das Ministerkomitee für Nachhaltigkeit der Regierung von Präsident Boric zusammentritt und dieses Schutzgebiet ein für alle Mal genehmigt. Es gehe um den Schutz eines Meeressystems, das von enormer Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Lebensgrundlagen seiner Bewohner ist. Eine Tatsache, die weltweit bekannt ist und allgemein anerkannt wird. 


Diese Hoffnung wurde bereits einen Tag später, am Freitag 7. Juli bitter enttäuscht. Der Ministerrat für Nachhaltigkeit trat zusammen, traf aber nicht die vorbereitete Entscheidung. Einige Minister begründeten dies damit, es gebe nicht genug Hintergrundinformationen.

Umweltorganisationen, Fischer und Einwohner der Regionen Atacama und Coquimbo reagierten schnell und versammelten sich 3 Tage später, am Montag 10. Juli zusammen mit Parlamentariern an der Moneda, dem Amtssitz des Präsidenten in Santiago. Dort wurde sie von einem Minister und dem Pressesprecher empfangen. In einem Brief an Präsident Gabriel Boric forderten die Delegation die Exekutive auf, ein Küstenmeerschutzgebiet mit Mehrfachnutzung im Humboldt-Archipel zu genehmigen: „... Wir sind Vertreter verschiedener Gruppen von handwerklichen Fischern, Tourismusanbietern, Landwirten, Leitern ländlicher Trinkwasserkomitees, Vertretern des Chango-Volkes, Umwelt- und Kulturorganisationen sowie Bewohnern der Gemeinden La Higuera und Freirina. Wir wollen das Ökosystem, in dem wir leben, schützen, weil wir wissen, dass ohne eine umweltfreundliche Umgebung unsere Arbeitsquellen, unsere Lebensgrundlagen und das Erbe für künftige Generationen verschwinden.

Wir können den unvergleichlichen Reichtum dieses Gebiets bezeugen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die von den verschiedenen Verbänden der Fischer und Muschelsammler verwalteten Gebiete zur Bewirtschaftung der benthischen Ressourcen sind die produktivsten im zentralen Norden Chiles und machen 80 % der Anlandungen von Hummer und Napfschnecken in der gesamten Region Coquimbo aus. Mehr als 60.000 nationale und internationale Touristen kommen jedes Jahr, um Wale, Delfine und Seevögel an einem der wenigen Orte in Chile zu beobachten, an dem man sie von der Küste aus sehen kann. Dank des Wassers aus dem Grundwasserleiter des Flusses Los Choros gibt es Produzenten von „nativem Olivenöl extra“ und viele andere nachhaltige Aktivitäten.

Wir werden zum Glück von der Wissenschaft unterstützt, die seit Jahrzehnten Hintergrundinformationen liefert. Die Daten erklären, warum unsere Küste so besonders, so einzigartig und unersetzlich ist. Zudem ist dieses besondere Ökosystem in Zeiten, in denen die Klimakrise Verwüstung in der Welt anrichtet, immer bedeutungsvoller geworden.

Herr Präsident, in der öffentlich übertragenen Sitzung des Ministerrats wurde der Vorschlag für ein mehr als 574.000 Hektar großes Meeresschutzgebiet mit Mehrfachnutzung vorgelegt, das seit mehr als einem Jahrzehnt von den regionalen Umweltbehörden mit unseren Gemeinden diskutiert wurde und mit dem wir einverstanden sind. Wir verstehen nicht, warum am Ende nicht darüber abgestimmt wurde, obwohl es eine interministerielle Vereinbarung gab, eine Vereinbarung an der alle zuständigen Dienststellen beteiligt waren, die diesen Vorschlag erarbeitet haben.

Der Vorgang lässt uns vermuten, dass der Druck so groß ist, dass die dringend notwendige Rettung eines unwiederbringlichen und für Leben, Gesundheit sowie Arbeit wichtigen Ökosystems wieder rückgängig gemacht werden soll. ...“

Das Schreiben an den Präsidenten wurde von 42 Organisationen und Personen unterzeichnet, darunter Umweltbewegungen, Gewerkschaften, Nachbarschaftsräte, indigene Gemeinschaften, Fischereigenossenschaften, Stadträte aus La Higuera und La Serena.

Viele nationale und regionale Medien berichteten über die Gründungsversammlung in Chañaral de Aceituno und die Übergabe des Briefes an Präsident Boric, besonders viele informierten über die Aktion in Santiago.

Der Ministerrat für Nachhaltigkeit will die Entscheidung über die Meeresschutzzone noch in diesem Monat in einer außerordentlichen Sitzung treffen. Bleibt zu hoffen, dass der Rat sich von der gleichen Sachlichkeit und Fachlichkeit leiten lässt, mit der er das Projekt Dominga im Januar abgelehnt und mit der die Dienststelle für Umweltverträglichkeitsprüfung (Environmental Assessment Service, SEA) diese Entscheidung Anfang Juli ausführlich begründet hat (s.a. Bericht vom 4. Juli auf diesen Seiten).

W.K.

Quellen

Alianza Humboldt, Pressemitteilung (Gründungsversammlung Meeresschutzzone), 6. Juli 2023
Alianza Humboldt, Brief an Präsident Gabriel Boric, 10. Juli 2023

El Mostrador, Santiago, 10. Juli 2023

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