Projekte in Chile

11. Internationaler Pinguinkongress

11. Internationaler Pinguinkongress

 

Viña del Mar, Landau 17. September 2023. Vom 4. bis 9. September trafen sich Experten aus aller Welt in Viña del Mar, Chile zum 11. internationalen Pinguinkongress. Über 200 Wissenschaftler und Fachleute für den Schutz verschiedener Pinguinarten stellten in 75 Vorträgen sowie 86 Posterpräsentationen neue Forschungsergebnisse vor und diskutierten sie. Verantwortlich für die lokale Organisation waren Alejandro Simeone (Universidad Andrés Bello), Juliana Vianna (Pontificia Universidad Católica de Chile) und Guillermo Luna-Jorquera (Universidad Católica del Norte).
3 Vorträge und 3 Posterpräsentationen informierten über Ergebnisse von Forschungs- und Bildungsprojekten, die von Sphenisco unterstützt wurden und werden. Die für den Artenschutz eminent wichtigen Untersuchungen in Chile zum Bestand, Bruterfolg und zur Nahrungssuche (Vortrag 30 u. 47, Poster 6, 66, 67) wurden von der Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe, dem Zoo Dresden und dem Freundeskreis des Tierparks Hagenbeck gefördert.

Vortrag 30
Das Meer mit den Augen der Humboldt-Pinguine sehen - wie sieht es angesichts der wachsenden anthropogenen Bedrohung aus?

Unter diesem Titel stellte Ursula Ellenberg völlig neue Erkenntnisse zur Nahrungssuche von Humboldt-Pinguinen vor, die 2022 bei der Insel Choros, Nordchile gewonnen wurden.
Ein Teil der Pinguine ging in unmittelbarer Nähe, die meisten aber bis 10 km seeabwärts von Choros auf Nahrungssuche. Sie wären damit von möglichen Verschmutzungen durch die geplanten Häfen und Schifffahrtswege betroffen. Mit Hilfe von Pinguin-Kameras zeigte sich, dass die Humboldt-Pinguine routinemäßig nach kleinen, in den Tentakeln von Quallen versteckten Fischen suchten. Mit dieser Erkenntnis verknüpfte die Referentin die Hoffnung, dass dieses Verhalten angesichts des Klimawandels und der Versauerung der Meere eine vielversprechende Strategie sein könnte.
Einzelne Tiere jagten pelagisch (dem offenen Meer zugewandt) nahe der Oberfläche nach einzelnen Fischen, jungen Schwarmfischen sowie Tintenfischen. Die Pinguine gingen aber auch in Gruppen von manchmal mehr als 50 Individuen auf Nahrungssuche, um Fische am Meeresgrund zu fangen. Dieses Verhalten bedeutet ein erhöhtes Risiko hinsichtlich der Sterblichkeit als Beifang, da ein einziges Netz eine ganze Gruppe von gemeinsam jagenden Vögeln töten kann.
Die überraschend flexiblen Fangstrategien der Humboldt-Pinguine könnten laut Ursula Ellenberg eine Chance sein, sich an den globalen Wandel anzupassen, wenn es gelingt, andere anthropogene Bedrohungen zu reduzieren.
Diese Forschungsarbeit ist besonders wichtig, da sie belastbare Daten für marine Raumplanung und damit die Möglichkeit liefert, anthropogene Auswirkungen auf diese bedrohte Art zu reduzieren. (s.a. „Projekte Chile“ vom 9. Juli 2023, 1. Januar 2023 auf dieser Website).


Vortrag 45
Schutz des Humboldt-Pinguins in Ica, Südperu

Señora Milagros hielt ihren Vortrag auf Spanisch. Dr. Alejandro Simeone übersetzte ihn ins Englische. Die Referentin erinnerte daran, dass Acorema sich bereits seit 2010 bemüht, wichtige Gruppen wie Schüler und Lehrer, Fischereigenossenschaften, örtliche Fremdenführer und Reiseveranstalter, Jugendgruppen und Universitäten für den Schutz der Humboldt-Pinguine zu sensibilisieren. Inzwischen wurden schätzungsweise 55.000 Menschen und 98 Institutionen erreicht. (s.a. „Projekte Peru“ vom 31. Mai 2023, 27. Februar 2022, 8. Mai, 16. Februar und 4. Januar 2021 sowie 11. Juni 2020 auf dieser Website).

Die Schilderung der lebendigen Arbeit mit Kindern, die mit vielen Bildern illustriert wurde, fand laut Dr. Simeone große Resonanz, erzeugte gute Stimmung und wurde zu einem Highlight des Kongresses. Das klingt auch in den Worten von Señora Milagros an, wenn sie an Sphenisco schreibt: „Ich bin sehr froh, dass wir die mit Sphenisco geleistete Arbeit vorstellen konnten und es scheint, dass viele der Anwesenden von den Aktivitäten mit den Kindern, den erstellten Materialien, der Arbeit mit den Behörden usw. beeindruckt waren. Ich habe viele Glückwünsche für das Gezeigte erhalten, die ich an das Sphenisco-Team weitergebe, das in all den Jahren eine sehr wichtige Stütze war und ist.“

Vortrag 47
Schutz des Humboldt-Pinguins in Chile: Tun wir genug?

Dr. Simeone begann seinen Vortrag mit der Feststellung, dass Ausbeutung von Guano-Lagerstätten, El Nino Ereignisse und exzessive Fischerei die wichtigsten Ursachen für den Rückgang der Humboldt-Pinguine von einst Hunderttausenden (1850) zu mittlerweile nicht mehr als 3.000 Brutpaaren in Chile sind. Um die Art zu erhalten, hat Chile in den letzten 40 Jahren:
1. Nationalparks / Reservate zum Schutz der Hauptinseln, auf denen Humboldt-Pinguine brüten, geschaffen,
2. Meeresschutzgebiete um die Inseln, auf denen Pinguine brüten, ausgewiesen,
3. den Humboldt-Pinguin als gefährdet eingestuft und
4. einen nationalen Managementplan entwickelt.
Dieser Managementplan wurde kurz nach dem Pinguin Kongress, am 13. September - nach 8 Jahren in der Schublade - von der chilenischen Regierung endlich verabschiedet.
In Viña del Mar warf Dr. Simeone die Frage auf, „ob die genannten Maßnahmen ausreichen, den Humboldt-Pinguin angemessen zu schützen?“ Er verwies auf eine kürzlich durchgeführte Zählung (2021-2022), die ergab, dass die Brutpopulation in Chile wahrscheinlich nicht mehr als 3.000 Paare umfasst und die großen Kolonien in den letzten zwei Jahrzehnten kleiner geworden sind. Es werden zwar von 32 Inseln Bruten gemeldet, dort leben aber jeweils weniger als 50 Paare. 90% der Brutpopulation lebt auf 6 Inseln. Schon im Jahr 2019 deutete die Bewertung der Lebensfähigkeit von Populationen und Habitaten darauf hin, dass die Gesamtpopulation durchschnittlich um 7% pro Jahr abnehmen könnte, und prognostizierte eine Zeitspanne von 59 Jahren bis zum Aussterben. Dr. Simeone bewertete die Managemententscheidungen zwar als richtig, aber eben nicht als ausreichend wirksam und zog den Schluss: „Wir tun möglicherweise nicht genug, um den Humboldt-Pinguin angemessen zu schützen.“  (s.a. „Projekte Chile“ vom 9. Juli 2023, 1. Januar 2023 auf dieser Website).

Seine Präsentation widmete er in liebevollem Gedenken Gabriele Knauf, der verstorbenen Vorsitzenden von Sphenisco.

Poster 6

Untersuchung des Einflusses von Nahrungsverfügbarkeit und Neststruktur auf den Reproduktionserfolg von Spheniscus humboldti auf der Insel Choros, Reserva Nacional Pinguinos de Humboldt

In dieser Studie auf der Insel Choros wurde untersucht, wie Nahrungsverfügbarkeit und Neststruktur den Fortpflanzungserfolg von Humboldt-Pinguinen beeinflussen. 50 Nester wurden in 3 Brutperioden (2019 bis 2022) überwacht. Es wurde der Schlupf und das Überleben der Küken überprüft. Die Überwachung wurde dann mit der Nahrungsverfügbarkeit im Umkreis von 50 km sowie der Nestarchitektur in Verbindung gebracht.

Die Referentin Mylene Seguel stellte folgende Ergebnisse vor:

1. Bei insgesamt 86 Eiern wurde eine Schlupfrate von 82,6 % gefunden, es überlebten jedoch nur 56,3% der 71 Küken.

2. Die meisten Eiablagen erfolgten einen Monat nach dem höchsten Stand der Meeresproduktivität.

3. Die meisten geschlüpften Küken und überlebenden Küken gab es in Nestern, die vollständig von Vegetation bedeckt waren.
Nahrungsverfügbarkeit und Neststruktur können also den Fortpflanzungserfolg der Pinguine erheblich beeinflussen. Das zeigt: Bei der Bewirtschaftung von Meeresregionen sind fundierte Entscheidungen hinsichtlich der Erhaltung der Humboldt-Pinguine abhängig vom Verständnis ihrer Fortpflanzungsökologie und ihrer Beziehungen zur Umwelt. (s.a. „Projekt Chile“ vom 9. Juli 2023, 1. Januar 2023 auf dieser Website).

Poster 66
Ozeanographische und Habitat-Merkmale, die die Koloniegröße von Humboldt-Pinguinen (Spheniscus humboldti) in Chile beeinflussen

Florencia Vial begann ihre Präsentation mit der Feststellung, dass es von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der Ökologie und die Entwicklung von Schutzstrategien ist, die Faktoren zu identifiziern, die die Größe von Brutkolonien in Seevögelpopulationen bestimmen. Gegenstand der vorgestellten Studie war es zu untersuchen, wie sich die Inselfläche, die Habitatvielfalt, die Entfernung zum Festland, der Breitengrad, das Vorhandensein invasiver Arten, der Schutzstatus der Inseln und die Nahrungsverfügbarkeit auf die Populationsgröße von zehn Humboldt-Pinguin-Kolonien in Nord-Zentral-Chile während der Brutperioden 2021 und 2022 auswirken.
Als vorläufige Ergebnisse hält die Referentin fest, dass der Schutzstatus (z. B. Nationalpark, Naturschutzgebiet) und der Breitengrad keine signifikanten Auswirkungen auf die Koloniegröße haben. Das Vorhandensein invasiver Wirbeltierarten, einschließlich Ratten und Europäischer Kaninchen, sind jedoch die wichtigsten Faktoren, die sich auf die Größe der Kolonien auswirken, d. h. wenn diese beiden invasiven Arten auf den Inseln vorkommen, nimmt die Zahl der Pinguinpaare deutlich ab. Die Bedeutung dieser vorläufigen Ergebnisse für die Entwicklung solider Managementpläne für den Humboldt-Pinguin wurden diskutiert.

Auch Señora Vial widmet die Präsentation ihrer Forschergruppe in liebevoller Erinnerung Gabriele Knauf. (s.a. „Projekte Chile“ vom 9. Juli 2023, 1. Januar 2023 auf diesen Seiten).

Poster 67
Methodische Einschränkungen bei der Schätzung der Humboldt-Pinguin-Population in Chile
Paulina Arce erklärte, dass es in der aktuellen Situation, in der die biologische Vielfalt rückläufig ist, von entscheidender Bedeutung ist, zuverlässige Informationen über Populationsgrößen und Trends bedrohter Arten bereitzustellen, um u.a. ihre Einstufung in Kategorien der Roten Liste zu ermöglichen. Dies erfordert genaue, auf die jeweilige Art zugeschnittene und standardisierte Methoden, um Daten zu erhalten und zu vergleichen. Forscher haben in der Vergangenheit verschiedene Methoden zur Bestimmung der Populationsgröße der Humboldt-Pinguine angewandt, darunter direkte Zählung mausernder Vögel und aktiver Nester sowie indirekte Schätzungen durch statistische Methoden (z. B. Entfernungsproben, Überwachungsquadrate). Die Verwendung unterschiedlicher Methoden erschwert den Vergleich der erhobenen Daten sowohl innerhalb von Kolonien als auch zwischen Kolonien und Ländern. Paulina Arce und andere analysierten, wie die Populationsgröße der Humboldt-Pinguine in den wichtigsten chilenischen Kolonien (z. B. Pan de Azúcar, Chañaral, Choros, Tilgo, Cachagua) ermittelt wurde und wie die unterschiedlichen Methoden zu gegensätzlichen Ergebnissen führten. Sie fanden heraus, dass die Anzahl der Brutpaare bei statistischen Methoden 6- bis 8-mal höher liegt als bei der herkömmlichen direkten Zählung aktiver Nester. Das erschwert Vergleiche und angemessene Strategien zum Management dieser Art. Um die Gesamtpopulationsgröße der Art zu ermitteln, empfiehlt die Forschergruppe die Anwendung einer standardisierten Methode, die in erster Linie auf der direkten Zählung aktiver Nester nach den Kriterien der IUCN basiert. (s.a. „Projekte Chile“ vom 9. Juli 2023, 1. Januar 2023 auf dieser Website).
Auch Paulina Arce widmet die Präsentation in liebevoller Erinnerung Gabriele Knauf.


In einem Gespräch nach dem Kongress zeigte sich Dr. Simeone, einer der Organisatoren, sehr zufrieden, aber auch nachdenklich: „Niveau und Qualität der vorgestellten Forschungsergebnisse waren sehr gut. Während die Forschung sich methodisch und hinsichtlich einsetzbarer Technik ausgesprochen positiv weiterentwickelt und immer mehr besser fundierte Ergebnisse hervorbringt, gehen gleichzeitig die Bestände vieler Pinguinarten zurück.“

W.K.

Anm.
An den 6 Vorträgen waren folgende Forscher beteiligt.

(30) Das Meer mit den Augen ...

Ursula Ellenberg (1-3), Maximiliano Daigre (4), Thomas Mattern (2,3,5), Alejandro Simeone (4)

(1) Department of Marine Science, University of Otago, Dunedin, New Zealand
(2) Global Penguin Society, Puerto Madryn, Argentina

(3) The Tawaki Trust, Dunedin, New Zealand

(4) Departamento de Ecología y Biodiversidad, Universidad Andrés Bello, Santiago, Chile


(45) Schutz des Humboldt-Pinguins in Ica, Südperu
Milagros Ormeño Benavides (1), Helbert Alejandro Anchante Herrera (2), Julio César Reyes Robles (1), Mónica Aud Echegaray Skontorp (1), Jesús Roberto Ormeño Benavides (1)


(1) Áreas Costeras y Recursos Marinos, Pisco, Perú

(2) Servicio Nacional Forestal y de Fauna Silvestre, Dirección de Estudios e investigación, Lima, Peru

(47 ) Schutz ... in Chile: Tun wir genug?
Alejandro Simeone (1)

(1) Departamento de Ecología y Biodiversidad, Facultad de Ciencias de la Vida, Universidad Andrés Bello, Chile.

(6) Untersuchung des Einflusses von Nahrungsverfügbarkeit und ...
Mylene Seguel (1), Nicolas Luna (1), Claudia Fernandez (1), Alejandro Simeone (4), Guillermo Luna-Jorquera (1,2,3)


(1) Universidad Católica del Norte, Biología Marina, Ciencias del mar, Larrondo 1281, El Llano, Coquimbo, Chile.
(2) Millennium Nucleus for Ecology and Sustainable Management of Oceanic Islands, Biologia Marina, Ciencias del Mar, Larrondo 1281, Coquimbo, Chile.
(3) Centro de Estudios Avanzados en Zonas Áridas, Coquimbo, Chile.

(4) Universidad Andres Bello, Santiago, Chile.

(66) Ozeanographische und Habitat-Merkmale, die ...

Florencia Vial (1), Guillermo Luna (3), Alejandro Simeone (2)

(1) Universidad Andrés Bello, Programa de Magíster en Recursos Naturales, Facultad de Ciencias de la Vida, republica 440, Santiago, Chile.

(2) Universidad Andrés Bello, Departamento de Ecología y Biodiversidad, Facultad de Ciencias de la Vida, republica 440, Santiago, Chile.

(3) Universidad Católica del Norte, Departamento de Biología Marina, Facultad de Ciencias del Mar, Larrondo 1281, Coquimbo, Chile.

(67)
Methodische Einschränkungen bei der Schätzung ... 
Paulina Arce (1), Maximiliano Daigre (1), Florencia Vial (1), Alejandro Simeone (1)

1 Universidad Andrés Bello, Ciencias de la Vida, Santiago, Chile.


Quellen
des Artikels sind die Abstracts des 11. Internationalen Pinguin Kongresses und ein Gespräch mit Dr. A. Simeone nach dem Kongress.

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