Projekte in Chile

Forschungs-Impressionen – 2. Teil

Dunedin, Neuseeland 11. Juli 2022

Ich hab's tatsächlich wieder nach Neuseeland geschafft, auch wenn der Rückflug sich zu einem Mammut-Unterfangen auswuchs, wegen Flugverzögerungen und verpasstem Anschluss. In den letzten Tagen habe ich erst einmal versucht dem Jetlag Herr zu werden und habe mich erst heute in mein Büro gewagt.

Alejandro und ich hatten vor meinem Abflug ausgiebig Zeit, unsere Expedition zu diskutieren und ein erstes Fazit zu ziehen. Und um's kurz zu machen - ich denke der Trip war extrem erfolgreich!

Diese erste Expedition war von Anfang an als eine Politstudie gedacht. Mit Humboldtpinguinen weiß man ja nie so genau, was man erwarten kann, sind die Vögel doch sehr feinfühlig, was Interaktionen mit Menschen angeht. Und wenn diese Menschen dann auch noch irgendwelche Geräte an ihnen festmachen, war es durchaus vorstellbar, dass der eine oder andere Pinguin das Weite sucht. Daher haben wir uns auf Vögel beschränkt, die in geschlossenen Nestern brüteten und schon recht große Küken hatten. Das hat die Anzahl der geeigneten Nester arg begrenzt, da doch der Großteil der Pinguine noch auf Eiern oder gerade geschlüpften Küken saß.

Insgesamt rüsteten wir zwischen dem 15. und 20. Juni zwölf Vögel mit Geräten aus.

Die ersten drei Fahrtenschreiber haben wir nachts auf Vögeln befestigt. Doch die Reaktion der Tiere auf uns war ähnlich von Nervosität geprägt, wie wenn wir die Vögel bei Tageslicht besuchten. Daher haben wir im weiteren Verlauf, die Pinguine bei Tageslicht mit Fahrtenschreibern bestückt, was auch das Risiko reduzierte, Paare in den Nestern aufzufinden.

Einer der drei Pinguine, die wir in der Nachtaktion mit Gerät bestückten, verließ im Verlauf der folgenden vier Tage nicht einmal das Nest, so dass wir uns entschieden, das Gerät wieder zu entfernen. Der Vogel hatte in der Zeit 1 Kg an Körpergewicht verloren. Der Vogel verbrachte auch die nächsten fünf Tage mit seinem Küken auf dem Nest und verließ das Nest erst, nachdem das Küken verhungert war. Wir vermuten, dass der Partnerin auf See etwas zugestoßen ist (mehr dazu später).

Die nächsten Pinguine, die mit Geräten bestückt wurden, steckten die Interaktion mit uns gut weg und konzentrierten sich auf ihren Job als Eltern. Die meisten Vögel verfolgten dabei dem 1-Tag-auf-See-1-Tag-im-Nest Muster. Die Programmierung der Fahrtenschreiber erwies sich als goldrichtig, denn wir sammelten fantastische GPS- und Tauchdaten. Für nahezu die Hälfte der ca. 8600 aufgezeichneten Tauchgänge haben wir eine GPS Position. Lediglich flache Tauchgänge gefolgt von kurzen Perioden an der Oberfläche - z.B. während die Vögel Strecke machten - blieben ohne GPS Daten. Im Vergleich zu anderen Pinguinarten, ist die Datenausbeute absolut hervorragend!

Zwei der ausgerüsteten Pinguine legten ein abweichendes Verhalten an den Tag, was leider zu einem weiteren Geräteverlust führte.

Ein Weibchen ging nach der Ausrüstung für einen Tag auf See, hütete danach das Nest für einen Tag und verschwand daraufhin. Die nächsten vier Tage fanden wir nur das Männchen auf dem Nest. Schon befürchteten wir, dass dem Nest das gleiche Schicksal widerfahren war, wie oben beschrieben. Doch einem Bauchgefühl folgend, besuchte ich das Nest in der Nacht auf den fünften Tag und fand tatsächlich das Weibchen vor! Nachdem ich den Rest der Truppe aus den Schlafsäcken geholt hatte, konnten wir das Gerät einsammeln. Wie sich herausstellte, war das Weibchen tatsächlich vier Tage auf See geblieben und war fast 100 km gen Norden geschwommen, bevor sich der Vogel eines Besseren besann und zu seinem Nest zurückkehrte.

Ein ähnlicher Vorgang könnte sich in einem weiteren Nest zugetragen haben. Denn hier verschwand das mit Fahrtenschreiber ausgerüstete Männchen für mehrere Tage. Da wir dieses Gerät erst in der zweiten Woche aufgebracht hatten, lief uns die Zeit davon. Am Ende mussten wir die Insel verlassen, bevor wir den Pinguin wieder fangen konnten. Leider also ein zweites Gerät, das auf die Verlustliste kommt.

Ich führte eine erste Auswertung der GPS- und Tauchdaten durch, als wir wieder am Festland waren (siehe angehängte Grafik). Und für eine Politstudie ungewöhnlich, kristallisierte sich ein Muster heraus, welches es im Sommer genauer zu untersuchen gilt. Und zwar hat es den Anschein, als ob Pinguine, die auf der Westseite der Insel brüten, vornehmlich südlich der Insel und zwischen 15-30 km vom Festland entfernt nach Nahrung suchen, während Pinguine die ihr Nest im Osten der Insel haben, primär in Küstennähe auf Jagdzüge gehen. Leider waren die meisten Nester mit denen wir arbeiteten im westlichen Teil der Insel gelegen (6 der 9 Nester), obwohl der Osten erheblich dichter von Pinguinen besiedelt ist. Entsprechend sollten wir im Sommer versuchen ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den beiden Seiten der Insel hinzubekommen. Die unterschiedlichen Jagdstrategien zwischen Ost- und Westpinguinen sind höchst interessant; einen ähnlichen Fall kennen wir aus einer Eselspinguin-Studie von den Falklandinseln. Vor allen Dingen ist es wichtig, mehr Daten im Osten von Choros zu sammeln, um genauer untersuchen zu können, inwiefern die Pinguine der Insel mit dem Dominga-Projekt in Konflikt geraten können.

Dominga ist aber nur ein Problem für die Pinguine. Denn kurz nachdem wir die Insel verlassen hatten, bekam Alejandro Informationen über einen in Stellnetzen ertrunkenen Pinguin in der Nähe von Punta Choros zugespielt. Dies scheint primär die Pinguine auf der Ostseite zu betreffen, da die Fischer eher in Küstennähe aktiv sind. Ein Stellnetz könnte auch das Verschwinden des Pinguins aus einem unserer nächtlichen Einsätze sowie das Ausbleiben unseres letzten Vogels erklären. Beide Vögel kamen aus Ostnestern.

Wir haben nach dieser Politstudie eine erheblich klarere Vorstellung, wie es weitergehen muss. Zum einen brauchen wir mehr Daten aus dem dicht besiedelten Osten. Zum anderen können wir im Sommer auch Pinguine mit Kameras bestücken, um genauere Informationen über das Jagdverhalten und die Beutearten zu erhalten. Denn die Pinguine haben sich als kooperativer herausgestellt, als zunächst abgenommen!

Grob haben wir eine 2 bis 3-wöchige Expedition Ende November/Anfang Dezember angepeilt. Wäre super, wenn wir mit der Planung dafür möglichst bald beginnen können.

Thomas Mattern

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